Von einer spannenden und informativen Auslandsfahrt kam eine große Gruppe des Neu-Isenburger Geschichtsvereins (GHK) zurück. Ziel der durch die Schweiz, Frankreich und Italien führenden Reise war der Besuch von Orten, aus denen die Neu-Isenburger Stadtgründer vor mehr als 300 Jahren geflohen waren. Wie jetzt auch die Ortsschilder der Stadt Neu-Isenburg ausweisen, waren dies Hugenotten und Waldenser.
Jenseits der ausgetretenen Touristenrouten ging die Fahrt in einsame Landesgegenden und zeichnete die Spuren und Wege nach, die Flüchtlinge und Ausgewiesene seinerzeit nahmen. Gemeinsam waren den Tausenden, die sich auf den Weg machten, ihre tiefe Frömmigkeit und ihr Widerstandwille gegen die sie bedrängende Staatsgewalt. Ihre Zusammengehörigkeit zeigt Spuren bis hin in die neuen Siedlungsorte in Deutschland, wie auch in Neu-Isenburg.Bei so viel historischem Hintergrund war für die Reisegruppe sehr gewinnend, dass ausgewiesene Expertinnen mit dabei waren. Die Hugenottenforscherin Dr. Gudrun Petasch konnte informative Erklärungen ebenso geben wie Dr. Renate Buchenauer von der deutschen Organisation des Vereins Hugenotten- und Waldenserpfad e.V.Die Reiseleiterin und Kunsthistorikerin Esther Erfert-Piel führte die Gruppe zunächst in die Innenstadt von Genf. Hier wurden das imposante Reformationsdenkmal und das Museum der Reformation besucht. Dies war ein guter Einstieg in der Stadt Calvins zum Verständnis des europaweiten Geschehens der Reformation.Dann ging es in die französischen Berge und zu den alten Wohnorten der Hugenotten und Waldenser, besonders denen, die später in Neu-Isenburg sesshaft wurden. Gudrun Petasch hatte hierzu viel Vorarbeit geleistet und konnte Einzelschicksale von Personen und Familien aufzeigen.
Der Besuch in Dieulefit und in dem benachbarten alten Städtchen Poët-Laval erwies sich als doppelt eindrucksvoll und war ein Höhepunkt der Reise. Hier wurden nicht nur die Hintergründe der Glaubensflucht beleuchtet. Dieulefit wurde auch national wie international bekannt und geehrt, weil es in der Zeit der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg Tausenden Verfolgten Unterkunft und Schutz bot. Poët-Laval ist demgegenüber eine kleine Ansammlung von mittelalterlichen Häusern mit pittoreskem Charakter. Der ‚Temple‘ - so werden die reformierten Kirchen in Frankreich genannt - ist heute ein Museum. Renate Buchenauer hatte hier wie an anderen Orten der Tour Kontakte zu Gemeinden und Geschichtsvereinen geknüpft, deren Vertreter lebendige Vorträge über die alten und neuen Zeiten hielten. Von der zentralen Gebirgsstadt Gap fuhr die 40-köpfige Reisegruppe in abgelegene, kleinere Orte und Weiler, die dem Busfahrer Joachim Sokolowski vom Neu-Isenburger Unternehmen Vey-Reisen manche Kunststücke auf engen Straßen abverlangten. Die zum Teil hochgebirgige Landschaft der südfranzösischen Dauphiné-Region zeigte sich von der schönsten und wildesten Seite.
Poët-Laval
Das malerische Städtchen Mens war zu Zeiten der Religionskriege eine protestantische Festung. Der Empfang der Neu-Isenburger Reisegruppe am Rathaus und im örtlichen Museum war herzlich. In Saint-Laurent-de-Cros merkte Gudrun Petasch an, dass hier die größte Gruppe der späteren Neu-Isenburger herkam und sprach deren Familiennamen an - so gut das heute noch geht.Saint-Vérans im Queyras rühmt sich inmitten imposanter Berge als höchstgelegene Stadt Europas. Das Queyras, bis zu 3800m hoch, ist das geographische Zentrum der Cottischen Alpen und grenzt im Osten an Italien.Der kleine Ort machte den Reisenden deutlich, wie hart und beschwerlich das Leben der Protestanten hier in den Bergen gerade im Winter gewesen sein muss. Die örtlichen Gastgeber im Temple erzählten, mit wieviel Jammer und Trauer sich die unglücklichen Bewohner damals bei ihrer Flucht von ihrem Heimatland, dem Haus auch ihrer Vorfahren, ihren Freunden, ihrem Vieh und ihren Feldern auf ewig verabschiedeten. Ihren Glauben wollten sie nicht wie gefordert widerrufen, um bleiben zu dürfen.Die Neu-Isenburger Reisegruppe zog es dann weiter über die Grenze in die italienische Bergregion des Piemont, das ebenfalls lange Zeit Rückzugsort von Glaubensflüchtlingen war. Die Stadt Torre Pellicewar und ist ein Zentrum der Waldenser-Bewegung. Hier wurden die Studienreisenden von Davide Rosso, dem Geschäftsführer der Waldensischen Kulturstiftung, empfangen. Er gab einen Einblick in die frühere, aber auch die aktuelle Situation der Waldenser in Italien. Der Weiler Namens Plan im benachbarten Chisonetal war die Heimat auch von Pierre Arnoul, der als Flüchtling über Neuwied nach Neu-Isenburg kam, wo er gegenüber dem späteren Haus zum Löwen eine Brauerei betrieb. Die Arnouls waren bereits 1702, also drei Jahre nach der Ortsgründung, nach Neu-Isenburg gekommen und damit die erste Waldenserfamilie im Dorf der Hugenotten. Schon früh wurde Pierre Arnoul Bürgermeister der jungen Siedlung. Arnoul hat sich um Neu-Isenburg auch deshalb verdient gemacht, weil er alle Texte des frühen Gerichtsbuches des Dorfes abgefasst hat. Die Nachfahren der Familie stellten im letzten Jahrhundert.
Bürgermeister und Landrat. Letzte Station der Reisegruppe in den Bergen des Piemont warBobbio Pellice. Durch alte verwinkelte Gassen führte eine Wanderung zum abgelegenen Denkmal von Sibaud, das an 300 Jahre Verfolgung, ängstliches Verstecken und das Selbstbewusstsein der Waldenser erinnert.
Den Abschluss der Entdeckungsreise der Neu-Isenburger Reisegruppe bildete ein Besuch von Turin. Der Gegensatz hätte nicht größer sein können, denn in der lebendigenStadt mit seinem architektonisch vielfältigen Zentrum regierte seinerzeit die Dynastie der Savoyer, deren Pracht und Reichtum heute noch sichtbar ist. Von hier ging die Unterdrückung der Waldenser im Piemont aus. Der Trubel der Großstadt war für die Gruppe ein Zurückkommen in die Gegenwart. Die Studienreise mit ihren vielen Stationen hinterließ bei den Teilnehmern einen nachhaltigen Eindruck zur Geschichte von Hugenotten und Waldensern. Flucht und erzwungene Auswanderung gewannen als Thema plastische Vorstellung. Die Reise wurde so auch zum Beitrag der erlebten Erinnerungskultur. Es war eine Reise, die in die Vergangenheit führte, aber auch für die Gegenwart nachdenklich macht !
Reise zu den Neu-Isenburger WurzelnReisegruppe des Geschichtsvereins besuchte die Herkunftsorte der Hugenotten und Waldenser